STEIERMARK.
Pilgern - das ist kein alter Hut, der streng gläubigen Katholiken vorbehalten ist. Pilgern ist vielmehr Wandern für die Seele, und das tut gerade in diesen herausfordernden Zeiten enorm gut. Ich war kürzlich auf dem Mariazeller Gründerweg unterwegs, und habe mich der „Mutter aller österreichischen Wallfahrtsorte” auf ähnliche Weise angenähert wie die allerersten Pilger. Start ist im Benediktiner-Stift St. Lambrecht. Wo alles begonnen hat, wie mir Pater Gerwig, Prior des Stiftes, im Video verraten hat.

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Pilgern ist ein Phänomen geworden, das weit über das Katholische hinaus geht. Es ist keine Kirchenmitgliedschaft und kein Taufschein nötig. Was es braucht, ist das Bewusstsein, das einen bereit macht, mit der Welt und dem Größeren, das dahinter steht, in Berührung zu kommen.
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Pater Gerwig, Prior des Stiftes St. Lambrecht
Pilgerpass & Routenplaner
Begleitheft für eine gelungene Tour

Der Mariazeller Gründerweg führt durch die steirischen Erlebnisregionen Murau, Murtal, Erzberg-Leoben und Hochsteiermark. Die Tourismusstellen haben eine Pilger-Broschüre aufgelegt - mit mehreren Etappen-Varianten für gemütliche, flotte und sportliche Pilger (7 bis 10 Tage). In dem praktischen Begleitheft finden sich genaue Routenbeschreibungen mit Höhenprofilen, Übernachtungstipps, Highlights entlang der Strecke, Sicherheitstipps und der Stempelpass. Wer alle sieben Stempel gesammelt hat, kann für 1 € Gebühr die Pilgerurkunde bekommen.
Alle Infos und die Broschüre zum Herunterladen auf
Etappe Nr. 1 - Von St. Lambrecht nach Mariazell
Wo der erste Mariazell-Pilger gestartet ist


Alles begann der Legende nach bei der Linde unweit des Stiftes St. Lambrecht. Aus deren Holz soll ein Mönch namens Magnus jene Marienfigur geschnitzt haben, die heute als berühmte „Gnadenmutter” im Blickpunkt der Basilika in Mariazell steht. Sein Auftrag: Von St. Lambrecht aus den Glauben zu verbreiten. Wie die hölzerne Maria dem Mönch dabei geholfen hat, Hindernisse zu überwinden, zeige ich - mit KI-Unterstützung - im Video.
Egal, ob man der Legende nun Glauben schenken mag - es ist schon ein ganz besonderes Gefühl, unter der mächtigen Linde zu stehen und sich vorzustellen, dass man jetzt einen ganz langen Weg vor sich hat, wie damals der Pilger-Pionier.

Wer es wie ich authentisch angehen mag, übernachtet am besten im Gästehaus des Stiftes St. Lambrecht. Die Zimmer sind einfach, aber komfortabel, zum Frühstück schnuppere ich Klosterluft, und wie einst der Pilger-Pionier werde ich von Prior Pater Herwig höchstpersönlich entsendet. Möge die Übung gelingen.
Ich bin kaum meinen ersten Kilometer gegangen, schon wird mir klar, dass Pilgern hier Tradition hat: Marterln mit kitschig-bunten Jesus & Maria-Bildern säumen den Weg. Man muss diese Art von Sakralkunst nicht unbedingt mögen, um nicht als Pilger doch ihren Wert zu entdecken: Die kleinen Kapellen bieten wunderbaren Schutz, wenn es plötzlich zu regnen beginnt - oder einen angenehmen Rastplatz.
Insider-Tipp für eine ungewöhnliche Pilger-Pause
Straußenhof Wallner: Jause bei den Riesen-Vögeln
Wer hätte das gedacht, dass die ersten Lebewesen, denen ich auf meiner Route begegnen werde, ausgerechnet die größten Vögel der Welt sind! Beim Straußenhof Wallner stehe ich plötzlich Aug' in Aug' mit Sträußen. Im Video sehen Sie, was Reinhard Wallner mit seinen Sträußen alles so anstellt. Sie können aber auch eine Jause bestellen - für eine Eierspeise brauchen Sie aber ausreichend Appetit: Ein Straußenei gibt so viel her wie 24 Hühnereier!
Info: Straußenhof Wallner

Ein besonders schönes Wegstück führt später den Murradweg entlang. Dem Fließen der Mur zu folgen, hat etwas Meditatives. Schließlich geht es nach Lind und Scheifling bis nach Unzmarkt - und dann erst 500 Höhenmeter aufwärts, ehe der Weg steil bergab nach Oberzeiring führt - dem ersten Etappenziel des Mariazeller Pilgerweges.
Etappe Nr. 2 - Von Oberzeiring nach Seckau
Zu verblichenen und bleibenden Schätzen

In Oberzeiring in der Erlebnisregion Murtal war lange Zeit das Silber zuhause. Im Schaubergwerk bekomme ich einen Einblick in den einstigen Silber-Abbau und erfahre unter anderem, warum im Bergwerk Hunde-Skelette gefunden wurden. Die Auflösung sehen Sie im Video.

Kurz nach Oberzeiring komme ich an einer ganz eigenartigen Schlossruine vorbei. Wäre da nicht ein nahezu neues Dach, läge die Vermutung nahe, dass hier ein „lost place" seinem Schicksal überlassen wurde. Wolfgang Sulzer vom Arbeitskreis Schloss Hanfelden klärt mich auf: Das mittelalterliche Gebäude hat schon viele Besitzer quasi überlebt, auch wenn der Zahn der Zeit deutlich genagt hat. Das Besondere an diesem Ort: Das Gebäude wird nicht auf herkömmliche Weise revitalisiert, sondern bleibt als Symbol des Verfalls im jetzigen Zustand - es wird lediglich instand gehalten, dass es nicht einstürzt und Besuchern zugänglich bleiben kann. Ein faszinierender „Lost place” unter Aufsicht also. Dieser außergewöhnliche Museumsbesuch geht unter die Haut, und passt hervorragend zum Pilgern. Ich habe auf der Route kaum einen Ort erlebt, an dem die Vergänglichkeit so einen intensiven Eindruck hinterlässt.
Insider-Tipp für eine Pilger-Fleissaufgabe

Loretto-Kapelle Rosenkogel: Andacht mit Aussicht
Bevor mich mein Weg in das monumentale spirituelle und einstmals auch politische Zentrum der Stadt Seckau führt, treffe ich die begeisterte Bergsteigerin Grete Pichler, die mich zu einem kleinen Umweg motiviert: zur anmutigen Loretto-Kapelle, die fast zur Gänze aus Holz gebaut wurde. Ein wunderbarer Ort der Stille. Ich hinterlasse im Pilgerbuch ein paar Gedanken, ehe es weiter geht.
Info: Almkapelle Maria Loretto

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Pilgern ist für mich einfach zur Ruhe kommen, Abstand gewinnen vom gestressten Alltag. Einfach Wandern, das Bacherl rauschen hören, das Blumerl sieht. Einfach, wie es oft heißt: Den Weg als das Ziel betrachten.
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Grete Pichler, Bergfan und Mitarbeiterin beim Tourismusverband Murtal
ETappe Nr. 3 - Von Seckau nach Mautern
Von der Abtei zur höchstgelegenen Wallfahrtskirche

Es gibt Menschen, die bewältigen diese Etappe mit einer Marienstatue, mir genügt jedoch mein Rucksack: Heute geht es von der Benediktinerabtei Seckau, einst Bischofssitz, zur höchstgelegenen Wallfahrtskirche Maria Schnee in den Seckauer Alpen (1816 Meter Seehöhe). Eine richtige Bergwertung. Nehmen Sie für diese Etappe unbedingt ausreichend Proviant mit, denn der Weg führt großteils durchs Gebirge, und es gibt keine Einkehrmöglichkeiten. Jedes Jahr zu Sommerbeginn wird die Marien-Statue in ihr „Sommerquartier" auf die Alm gebracht.

Bevor ich losstarte, nehme ich mir aber genug Zeit für einen Besuch der Abtei. Der lohnt sich schon wegen des beeindruckenden spätgotischen Deckengewölbes und dem Habsburger-Mausoleum, in dem unter anderen Erzherzog Karl II. mit seiner Gattin begraben liegt.
Insider-Tipp für Naschhafte Pilger

Lebkuchen mit Zirbenschnaps und andere Versuchungen
Bevor Sie von Seckau aufbrechen, empfehle ich Ihnen unbedingt einen Besuch in der Café Konditorei Regner. Konditor-Weltmeister Gregor Regner produziert hier allerlei feine Lebkuchen und andere süße Versuchungen. Mein Tipp: Lebkuchen mit Zirbenschnaps. Eine Delikatesse!Info: Cafe-Konditorei Regner
Etappen Nr. 4 & 5 - Mautern - Vordernberg - Aflenz
Zeitreise zum alten Eisen

Vom Kloster in Mautern führt der Weg nun in der Erlebnisregion Erzberg-Leoben auf Wiesen- und Waldwegen, vorbei an einer Grotte mit Höhlenkapelle zur Ruine Kammerstein und schließlich nach Kammern im Liesingtal.

Hier führt mich der Hobbyhistoriker und Dorf-Chronist Alois Gamsjäger durch den Marterlweg, eine Spurensuche gelebter Religiosität, die im Dorf nach wie vor hoch gehalten wird. Dutzende liebevoll gestaltete Kapellen und Bildstöcke werden hier gehegt und gepflegt, und es kommen sogar immer wieder neue dazu, die Familien aus Dankbarkeit oder Bitte stiften. „Jedes Marterl hat seine persönliche Geschichte, und verrät auch etwas über seinen Stifter", sagt Alois. „Das macht den besonderen Reiz aus.”
Nach insgesamt ca. 30 Kilometern ist das Etappenziel Vordernberg erreicht, wo ich in die bedeutende Industriegeschichte des Ortes eintauche. Im Habsburgerreich war hier das Zentrum der Eisenverarbeitung.
Insider-Tipp für wissbegierige pilger

Besuch im alten Holzkohlen-Hochofen
Die Gemeinde Vordernberg ist eng mit einem bedeutenden Stück Industriegeschichte verbunden. Hier befindet sich das monumentale Radwerk IV, der einzige noch erhaltene und voll ausgestattete Holzkohlen-Hochofen aus dem 19. Jahrhundert. Hier können Sie eine spannende Zeitreise in die Geschichte der Eisengewinnung und Stahlerzeugung erleben.Info: Radwerk IV

Weiter geht's mit der 5. Tagesetappe: Wälder, rauschende Bäche, die Hohe Rötz (1064 m), der Rötzgraben und schließlich Tragöss sind die Wegpunkte. Tragöss bietet atemberaubende Ausblicke auf die Bergwelt, die man als Pilger zuvor bewältigt hat. Und der Grüne See ist ein einzigartiger mystischer und märchenhafter Ort, den Sie sich nicht entgehen lassen sollten.

Etappe Nr. 6 - Von Aflenz nach Gusswerk
Endspurt mit feinem Glockenklang

„Die Pfarrkirche von Aflenz ist eine der schönsten Kirchen in der Steiermark”, sagt Karl Gölles, der ehemalige Pfarrer der Gemeinde. Ich habe Glück, dass er gerade im Ort ist, und freue mich über seine Kirchenführung, bei der er viel Leidenschaft und Liebe zum Detail zeigt. Der mächtige Wehrturm, das imposante spätgotische Deckengewölbe, ein romanisches Holzkreuz aus dem 13. Jahrhundert und die steinernen Reliefbüsten der Apostelfiguren machen den besonderen Reiz aus. Die Kirche beherbergt auch Reliquien des seligen Kaiser Karl von Österreich.
Ich verlasse den Ort nicht ohne dass mir Pfarrer Gölles eine Hörprobe der großen Kirchenglocke zeigt - und bereite mich auf die letzte größere Hürde auf dem Pilgerweg nach Mariazell vor - den Seebergsattel.
Insider-Tipp für musikalische Pilger

Die „kostbarste" Kirchenglocke Österreichs
Mit etwas Glück begegnen Sie in der Kirche von Aflenz Pfarrer Gölles oder dem Mesner, und er führt sie auf den Dachstuhl des Gotteshauses. Dort befindet sich neben sechs kleineren Glocken die große „Peter & Paul”-Glocke, die bereits 1446 gegossen wurde. Der riesige Klangkörper sieht nicht nur beeindruckend aus, sondern hat seines Alters auch eine hervorragende Klangqualität, wie Pfarrer Gölles im Video unter Beweis stellt. Es werden auch Kirchenführungen mit einer staatlich geprüften Fremdenführerin angeboten.Info: Pfarrkirche St. Peter zu Aflenz
Etappe Nr. 7 - Von Gußwerk nach Mariazell
Das Ziel: Die Mutter aller österreichischen Wallfahrtsorte
Einmal noch in in Gußwerk schlafen, und dann ist es nicht mehr weit nach Mariazell. Gerade einmal 4,6 Kilometer ist die letzte Etappe lang und führt teilweise über eine alte Bahntrasse auf den Sigmundsberg. Von hier aus erhasche ich den ersten Blick auf die Mariazeller Basilika. Jetzt ist es wirklich bald geschafft.

Schon stehe ich vor dem mächtigen Tor der Basilika, wo mich schon Pater Petrus empfängt. Der erste Weg führt natürlich zur berühmten Gnaden-Statue im Zentrum der Basilika. An sich ist wäre die romanische Marienfigur ja ziemlich unscheinbar, wenn man ihr nicht ein schönes weißes Kleid angezogen hätte und sie über dem Altar in einem prächtigen goldenen Strahlenkranz platziert hätte. So aber kann sich kaum jemand ihrer Strahlkraft entziehen, auch wenn man sonst mit dem Katholizismus wenig am Hut hat.
Es ist aber nicht nur die perfekte Inszenierung der Statue, es sind wohl auch die Lebensgeschichten zigmillionen Pilger, die hier gespeichert zu sein scheinen. In unzählbaren Bitt- und Dankgebeten, Inschriften, Sprüchen und Kerzenwidmungen sind sie erhalten geblieben wie die Marienfigur. Geprägt von Hoffnung, Dankbarkeit, Zuversicht, aber auch Trauer und Leid. Das pralle Leben, gebündelt an einem ganz besonderen Ort.
Pater Petrus verrät mir den stillsten Ort der Basilika, wo sich selbst an Hochsaisontagen kaum Menschen hin verirren: Ganz vorne links befindet sich eine kleine Kapelle, wo man auch die Türe schließen kann. Der Raum ist nicht nur angenehm kühl, sondern hat auch eine meditative Atmosphäre.

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Schon als Kind habe ich von Mariazell erfahren, und der Ort hat mich schon immer fasziniert. Viele Menschen kommen hierher, um Ruhe zu finden und Kraft zu tanken. Und sie verlassen diesen wunderbaren Ort mit einer neuen Lebensfreude und einer inneren Veränderung.
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Pater Petrus, Gastpriester aus Kärnten in Mariazell
Hier können Sie so richtig zur Ruhe kommen und die ganz persönlichen Pilger-Erfahrungen noch einmal Revue passieren lassen, sich auf die wirklich wichtigen Dinge des Lebens konzentrieren - und dabei vermutlich wie ich feststellen: Auch in diesen herausfordernden Zeiten gibt es vieles, worüber man sich freuen kann und wofür man dankbar sein darf. Für die vielen wunderbaren Begegnungen auf dieser Pilgerreise bin ich es allemal. Auch für das wunderbare Geschenk, das mir Pater Petrus mitgebracht hat: einen echten holzgeschnitzten Pilgerstab. Auf diese Weise bin ich am Ende doch noch ein richtiger Pilger geworden.
Insider-Tipp für Genuss-Pilger
Mariazeller Lebkuchen & Kräuterbitter - zwei Klassiker
Man kann nicht in Mariazell gewesen sein, ohne nicht die klassische Labsal Generationen von müde gewordenen Pilgern zu probieren: den Mariazeller Lebkuchen, an dem man in der Zentrale, dem Café, dem Shop und zahlreichen Verkaufsständen ohnedies nicht vorbei kommt. Und am Mariazeller Kräuterbitter. Hergestellt bereits in sechster Generation nach einem Geheimrezept aus exakt 33 Kräutern. Beide Spezialitäten eigenen sich nicht nur zum selbst genießen, sondern auch als authentische Mitbringsel aus Mariazell.Infos:
Erlebzelterei Pirker
Kaufhaus Arzberger
Unterkunft-Tipps
Auftakt im Kloster
St. Lambrecht. Wer das Pilgern authentisch starten möchte, nächtigt am besten direkt dort, wo das Mariazell-Pilgern seinen Ausgang nahm: im Benediktinerstift St. Lambrecht.
Eigenes Gästehaus mit einfachen, aber komfortablen Zimmern, Frühstück im Kloster und Klosterladen für Mitbringsel und kleine Wegzehrungen.
www.stift-stlambrecht.at
Feine stärken und ruhen im alten Gutshof
Gaal (2. Etappe). Im Lorettohof gibt's nicht nur große gediegene Zimmer, sondern auch ein großzügiges Frühstücksbuffet und eine hervorragende Küche.
Wohnen mit Whisky
Mariazell. Am Zielort der Pilgertour habe ich in einem der traditionellsten Hotels des Wallfahrtsortes übernachtet: Im Hotel Drei Hasen. Das Haus besteht seit 1865, aber sind in Top-Zustand. Top-Restaurant, sehr gutes Frühstück - und ein hochkarätiges Whisky-Sortiment. Und Wellness - perfekt, um müde Pilger wieder fit zu machen,
INFO
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